Deportationsrampe

Ideenwettbewerb zum Gedenkort Deportationsrampe Mainz

Prof. Andreas Theurer, Bildhauer, Berlin
Architekturbüro Atelier Schmelzer.Weber, Dresden

Leitidee

Ein lineares architektonisches Band

  • trägt die Namen der aus Mainz deportierten jüdischen Bürger
  • demonstriert die historischen Bahn-Rampen und flankiert die ehemaligen Gleise
  • bildet ein Tor der Reflexion, das Anfang und Ende zugleich ist.
  • rahmt einen Platz, dessen menschliche Schatten an den Verlust erinnern.

Ein überraschender Ort, der mitten im Leben an Vertreibung und Tod erinnert.
Ohne Pathos öffnet er sich dem Mainzer Bürger, bezieht ihn ein und lässt ihn zum Teil der Geschichte werden.

Gedenkort

Der neu geschaffene Platz zeichnet sich im städtebaulichen Kontext durch architektonische Sachlichkeit aus. Die Namen der Ermordeten sind dauerhaft eingeschrieben in eine Gedenkwand, die den Ausgangspunkt der Mainzer Deportationen markiert. Die Öffnung des Platzes zum öffentlichen Fahr- und Gehwegenetz weist ihn weithin sichtbar als Ort des Gedenkens aus.

Partizipation

Der Entwurf verzichtet auf eine große Geste und versucht stattdessen die Bürgerinnen und Bürger partizipativ in die Gestaltung einzubeziehen.
Erst beim Betreten des Platzes erlebt der Betrachter die suggestive Wirkung der Perspektive.
Die zunächst kaum wahrnehmbare, rückwärtige Verspiegelung des Baukörpers verlängert die historischen Gleise in eine imaginäre Ferne, die gleichzeitig reflektierte Gegenwart ist.
Der Spiegel wird mit Auszügen aus den überlieferten Briefen der Deportierten bedruckt, die deren Erfahrungen zurück nach Mainz übermittelten.
Die in den Bodenbelag eingesetzten, menschlichen Schatten stehen für den tragischen Verlust der jüdischen Mitbürger und erinnern an die mit diesem Ort verbundene, historische Schuld – als Apell, der nicht vergeht, als Schatten der bleibt.
Wenn sich an sonnigen Tagen der eigene Schattenwurf mit den Schattenbildern im Bodenbelag kreuzt, dann wird die persönliche Reflexion des Betrachters in ganz besonderer Weise herausgefordert. Dies geschieht nicht immer – jedes Mal anders – aber sicher immer wieder von Neuem.

Platzgestaltung

Der Gedenkort nimmt wesentliche Bezüge zum ehemaligen Güterbahnhof auf und entfaltet dabei eine markante Platzsituation mit Aufenthalts- und Erfahrungsqualität. Die geplanten Sitzmöglichkeiten, eine Überdachung, sowie die Beleuchtung des Platzes machen den Ort auch nachts, sowie und bei schlechtem Wetter erlebbar, erfahrbar und nutzbar.
Die Ergänzung des Baumbestandes im Umfeld des Platzes trägt wesentlich zu dessen räumlicher Fassung bei.

Eine künstlerische Rauminszenierung

Die geplante Gedenkstätte nimmt bewusst Abstand von der oft körperhaften Schwere eines Mahnmals.
Es schafft stattdessen einem offenen Raum der Partizipation.
Beim Betreten des Platzes erweist er sich als Bühne der Reflexion – nur in ihrer geistigen Form, sondern auch in mehrfacher visueller Weise.
Da ist zum einen die verspiegelte Wand des scheinbaren Tores, das den Schienenstrang in ein optisches Jenseits verlängert und gleichzeitig den Betrachter selbst in die Situation hineinspiegelt.
Und zum anderen die in den Boden gesetzten Schatten, die sich bei Sonnenschein mit den Körperschatten der Besucher kreuzen.
Überraschend und unmittelbar werden so die Besucher Teil des Arrangements – berührt von den Schatten der Vergangenheit.
Die Kraft dieser Gedenkstätte wird sich in ihrer Stille entfalten.

Dezember 2023 . Andreas Theurer